Zusammenfassung

Was, wenn das Leben nur ein Traum wäre? Wenn die Wolken, die Vögel, die Erde und die anderen Menschen nur als Vorstellungen in unserem Geist existierten?

Ein Forscher gerät zufällig auf die Spur des Exzentrikers Gaspard Languenhaert, der eine solche „egoistische" Philosophie in den Salons des achtzehnten Jahrhunderts vertritt und später eine eigene Schule in Montmartre begründet. Dort geben sich seine  Schüler zusammen mit ihm der Vorstellung hin, daß nur sie allein existieren und die Welt lediglich ein Produkt ihrer Einbildung sei. Neugierig geworden, bricht der Forscher seine Studien ab und begibt sich auf die Suche nach diesem eigenartigen Philosophen. Eine Art Verschwörung läßt dessen Spur bald aufscheinen, bald verschwinden.

Die Suche führt ihn von Paris nach Amsterdam, vor allem aber in das Innere seiner selbst, dorthin, wo die Vernunft unvernünftig wird und das Schwindelgefühl grauenhaft; denn wenn die Welt nur ein Traum ist, dann ist jeder von uns ihr Schöpfer, also Gott. Die Logik spielt verrückt. Um damit klarzukommen, brauchte es des Talents, der Kühnheit und der Intelligenz eines Éric-Emmanuel Schmitt, dessen Stück Der Besucher mit mehreren Molière ausgezeichnet wurde und weltweit gespielt wird. 

Mit seinem ersten Roman legt Schmitt ein Werk von erstaunlicher Aktualität vor, das zugleich überrascht, aufwühlt und fasziniert.

Anmerkungen  

« Anmerkungen »

Lange Zeit hat mir der Roman Angst gemacht. Ich wußte nicht, wie ich mit der Freiheit, die er gewährt, umgehen soll, ich fürchtete ihr Ausarten in Zügellosigkeit. Ich hatte Mühe, das rechte Maß zu finden - jede Seite, die ich schrieb, wurde von meinen Fragen zerrissen: Warum einer Beschreibung bloß eine Zeile widmen? Warum nicht einen ganzen Absatz? Eine Seite? Zehn Seiten? Wie den Schreibfluß unter Kontrolle halten?

Das Gute am Theater ist, daß es einem starke Zwänge auferlegt: die Dauer einer Vorstellung setzt dem Stück Grenzen; die Folgerichtigkeit der Ereignisse ordnet die Szenen; der lebendige Dialog erlaubt es, alles zu schreiben und verhindert zugleich, zu viel zu schreiben; die Angst, den Zuschauer zu langweilen, zwingt einen, Stellen zu kürzen; die Abwesenheit von Welt und Natur, verbunden mit der Nutzlosigkeit, sie zu beschreiben, bringt es mit sich, daß man sich auf den Menschen konzentriert; die Notwendigkeit, jedem Schauspieler eine gute Partitur in die Hand zu geben, macht die Schreibe genau. Der Dramatiker hat vieles mit dem Komponisten eines Quartetts gemein: dessen Kammermusik erfordert eine klare Gedankenführung, einen strengen Aufbau und schließt den Narzissmus aus.

Trotz allem habe ich das Theater nie bewusst dem Roman vorgezogen. Allein die Umstände haben die Sache anders entschieden: das Theater erteilte mir so schnell die Weihen, daß es einige Jahre lang meine ganze Kraft für sich in Anspruch nahm. Dann gefiel mir auch die übermäßige Aufwertung, die der Roman gegenwärtig erfährt, nicht, und so habe ich, um zu provozieren, mit mir selbst kokettiert, indem ich mich einzig als Theaterautor zu behaupten versuchte.

Wie oft habe ich nicht die Worte gehört: „Sie sind ein wahrer Schriftsteller, Sie verdienen Besseres als das Theater, wann werden wir denn endlich einen Roman von Ihnen in Händen halten?"

Verärgert antwortete ich dann, daß die Werte in unserer Zeit verkehrt würden, daß jahrhundertelang, von Corneille bis Victor Hugo, allein das Theater in der Wertschätzung des Publikums gestanden habe, und führte dabei Balzacs Äußerung ins Feld, sein Leben als Schriftsteller sei mißlungen, weil er nicht die Anerkennung durch die Bühne erfahren habe. Höflich ließ man mich weiterbrüllen, bis ich mich wieder beruhigt hatte.

Wenn ich mich nun dazu entschieden habe, mich mehr dem Roman zuzuwenden, dann nicht, um dem Druck meiner Umgebung nachzugeben. Es geht einfach nicht anders, gewisse Stoffe verlangen die Form des Romans, andere die Form des Theaterstücks.

Die Schule der Egoisten ist ein philosophischer Roman, sicher, aber ein paradoxer philosophischer Roman; denn er befaßt sich nicht mit philosophischer Weisheit, sondern mit philosophischem Wahn. Wir alle haben dieses sonderbare Gefühl schon einmal gehabt: die Empfindung, daß die Wirklichkeit nicht wirklich ist. Jede Nacht erleben wir intensive, farbige Szenen, und jeden Morgen werden wir uns beim Aufwachen bewußt, daß sie Illusion waren. Auch wenn wir wach sind, erfaßt uns manchmal eine leichte Unsicherheit darüber, ob die Welt auch tatsächlich wirklich sei.

Ich selbst brachte oft, als ich um die zwanzig Jahre alt war, Traum- und Wachleben durcheinander - eine sehr mißliche Angewohnheit. Die Lektüre von Descartes, Leibniz und vor allem die von Berkeley machte damals die Sache nicht besser. Als ich den Solipsismus nämlich nun rational begründet vorfand und nicht mehr nur bloß fühlte, schien er mir eine Doktrin, an der man nicht einfach so vorbeikam. Er besagt, daß die Welt sowohl im Traum als auch im Wachen nie mehr sei als bloß die Summe subjektiver Empfindungen; daß es nichts gebe, was mich ihrer Stofflichkeit versichern könne; daß sie nur aus geistiger Materie bestehe; daß sie nur in mir und durch mich existiere.

Alle großen Philosophen, die sich mit dem Selbsbewußtsein auseinandersetzten, von Descartes bis Husserl, durchliefen eine kurze Phase des Solipsismus. Alle fanden danach wieder zur Wirklichkeit der Welt zurück. Der Solipsismus ist in der Geschichte der Philosophie nicht mehr als eine Etappe, die schnell widerlegt war, ein Irrtum. Offiziel gibt es keine solipsistischen Philosophen. Nun bin ich aber während meiner Lektüre und meiner Recherchen über das achtzehnte Jahrhundert auf einen verrückten Kerl, einen extravaganten Denker gestoßen, von dem uns nur der Name überkommen ist: Gaspard Languenhaert.

Er hatte völlig ernsthaft behauptet, die Welt existiere nur in seinem Bewußtsein, er sei also ihr Schöpfer. Als wäre dies nicht bereits verrückt genug, wollte er auch noch eine Schule begründen, wollte überzeugen, Jünger um sich scharen, obwohl er sich gewiß zur einzigen Philosophie bekannte, die ohne Schüler auskommt - die anderen existieren ja gar nicht.

Languenhaert starb mit dreiunddreißig Jahren an einer Überdosis Opium. Ich wußte das wenige, was zwei, drei Gelehrte wissen; ich konnte also meine Phantasie spielen lassen ... Ich machte das, was nur im Roman möglich ist: die Vervielfachung der „Ichs" und ihre anschließende Verwischung.

Der Roman bietet dem Theater gegenüber den entscheidenden Vorteil, daß er keine Handlung, sondern eine bestimmte Sichtweise auf eine Handlung, ja sogar mehrere Sichtweisen, abbildet.

Der Roman, die Schreibgattung der Subjektivität, erlaubte es, das Thema, den Schwindel des Bewußtseins, zu behandeln. Dies wäre im Theater nicht möglich.  

Die überaus positiven Reaktionen bei Erscheinen meines Romans hätten mich, denkt so mancher, dazu ermutigen müssen, unmittelbar danach einen weiteren Roman zu schreiben. Genau das habe ich auch getan. Es war das Evangelium nach Pilatus. Doch dazu habe ich acht Jahre gebraucht. 

Barcelona, Spanien, den 13. August 2000
Éric-Emmanuel Schmitt

Rezensionen

Le Figaro - « Die Schule der Egoïsten »

Ein Roman, der sich einem in dem Maße entzieht, in dem man ihn begreift. In dem uns erzählt wird, daß das darin Erzählte nicht stattgefunden hat. Ein Roman, der einem entgleitet, der enttäuscht, ja aus eben dieser Enttäuschung besteht.

Denken Sie nur: Dieses Buch handelt in einer Welt, in der es nur Bücher gibt, von einem Buch, das es nicht gibt. Handelte es sich hierbei um nichts weiter als eine Pennälerübung oder den Mumpitz eines ENA-Schülers, dann könnte man glauben, man sei zu den Hasenfellen des untergegangenen Nouveau roman zurückgekehrt, könnte sich in die Blütezeit einer Literatur ohne Aussagewert zurückversetzt meinen, mit der man so manch tote Gesprächszeit ausfüllen konnte, in eine Zeit, als die Werke von Robbe-Grillet und der tiefgefrorene Fisch auf den Markt kamen. Eine Art Schreiben im Fieberwahn, eine Pause der Verstandestätigkeit. Alles in allem also ein Akt der Freiheit.

Ein müder Ich-Erzähler konsultiert gelehrte Werke im großen Saal der Nationalbibliothek. Mit einemmal kann er die Gesichter der dort Versammelten, die ihm genauso abgenützt anmuten wie Bücher nach zu langem Gebrauch, und diesen Wald aus Büchern, die ihm genau so stumpf erscheinen wie Gesichter ohne Geschichte, nur noch schwer ertragen. So setzt er sich kurzerhand über sein Gelehrtenethos hinweg: um dem Wolkenkuckucksheim zu entkommen, in dem er so langsam innerlich vertrocknet, bestellt er aufs Geratewohl ein Buch, das ihn aus seiner Routine reißen wird. Er bekommt ein philosophisches Wörterbuch von 1798 ausgehändigt und erfährt daraus, dass es zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Schule der Egoisten gab, die ein gewisser Gaspar Languenhaert begründet hatte. Über Languenhaert ist so gut wie nichts bekannt. Der Ich-Erzähler braucht nun nur noch seine Doktorarbeit sausen zu lassen. Die Suche, die bald schon den Charakter einer Untersuchung annimmt, wird am Ende zur Mission.

Unser Held kehrt der Irrealität mit sichtlicher Begeisterung den Rücken, ein wenig so, wie man aus der Realität flieht, um in eine imaginäre Welt einzutauchen. Das Wetter ist schön, die Sonntage laden zum Flanieren an den Kais der Seine ein; auf den Spuren Languenhaerts wird nach Amsterdam geflogen, bald dann wieder kehrtgemacht und weiter geht es nach Le Havre. Schmitt erzählt hier von einer lustigen Eskapade, munterem Eskapismus.
Sein Ich-Erzähler macht so sehr Gebrauch von der Ratio, daß auf seiner Jagd nach Erkenntnis diese bald alles bestimmt. Die vermeintlichen Liebesgeschichten Languenhaerts, dessen Launen, Extravaganzen und Erfolge lassen ihn nach und nach die Nichtigkeit eines jeden Dings erkennen. Er ist ein Diderot, der im Kreis herumwirbelt, anstatt zu philosophieren, der die Probleme geschickt umgeht, anstatt sie zu vertiefen. Nach Rameaus Neffen[1] haben wir hier höchstens noch seinen kleinen Cousin vor uns.
Der Ich-Erzähler hat in Languenhaerts Lehre die unbeständigste, verderblichste, die unmöglichste aller Philosophien gefunden. Languenhaert gründet nämlich seine egoistische Theorie auf der Annahme, daß alles außer uns selbst nur Traum sei. Der Egoist glaubt, daß nur er allein existiere: Ich nehme, wo auch immer ich mich aufhalte, nur meine eigenen Gedanken war; das Leben besteht wesentlich aus meinem Traum, das heißt aus meinen Empfindungen. Die Welt wird damit zu einem fragilen Gebilde, die Dinge der Welt werden zu Trugbildern, durch die wir hindurchwandeln, als wären sie nur Luft und Hauch. Dieser leise, eher poetische als philosophische Zweifel bringt nun aber ein System hervor, das gerade den Zweifel als Prinzip nicht mehr zuläßt: alles wird verneint. Und da das Nein affirmativer ist als das Ja, wird der Skeptizismus zum Katechismus, wird kategorisch, unhaltbar. Man könnte uns nicht deutlicher zeigen, daß die Ratio in sich alle Keime des Absurden birgt.
Von diesem Abenteuer ins Reich der Ideen bleibt nichts Wirkliches zurück außer den Wörtern. Freilich werden auch die am Ende zu Lufthauch geworden sein.

Der Leser erwarte auf dieser turbulenten Reise bloß nicht den Emotionen zu begegnen, die das Wunderbare in uns auslöst. Hier trifft er vielmehr auf das Phantastische. Und es ist ein desillusionierter Erzähler - und Leser -, der am Schluß des Buches vom Tod Gérard Laguerets erfährt, des unwahrscheinlichen Nachkommen eines ungewissen Philosophen.
Ein pikaresker Verstandesmensch bringt uns zum Glück dazu, über die drolligen Bitterkeiten zu schmunzeln, die Schmitts Figuren an ihre perverse Unbedeutendheit erinnern. Eine glutäugige Zigeunerin, ein unglücklich verlaufendes Liebeserlebnis zwischen einem Mann und einem anderen Mann, den seine Maske begehrlich machte (da ja nun einmal alles Maske ist, nehmen wir eben das, was kommt, verdammt noch mal!), seltsame Zusammenkünfte, noble Alte, gehörnte Bäcker: all das zerplatzt in einer Prosa à la Ancien Régime wie Seifenblasen, elegant und abstrakt.

Schmitts Buch ist ein einziges schillerndes Inventar von den Schwächen des Geistes. Selten hat jemand so gekonnt den rein intellektuellen Zauber der Ratio vor uns ausgebreitet, um uns deren Machtlosigkeit vor Augen zu führen. Vielleicht vermag uns das davon abzuhalten, die Schwelle der Unvernunft endgültig zu überschreiten.

[1] A.d.Ü. Anspielung auf das Werk Rameaus Neffe (frz. Le Neveu de Rameau), einen philosophischen Dialog von Denis Diderot.

Renaud Matignon

Le Monde - « Die Schule der Egoisten »

Der Wahnsinn ist uns genauso vertraut wie die Weisheit. Könnte man die beiden genauso klar voneinander abgrenzen, dann würde man sich nicht seit zweitausendfünfhundert Jahren über Philosophie streiten. Ist Gaspard Languenhaert, der Held in Die Schule der Egoisten, wahnsinnig? Der zu Anfang des 18. Jahrhunderts lebende Salonphilosoph behauptete, daß er allein existiere und der Rest der Welt nur eine Schöpfung seines Geistes sei. Kurzum, daß er Gott sei und das Leben ein göttlicher Traum, sein Traum also.

In Schmitts Buch gründet der vermögende Frauenschwarm Languenhaert sogar seine eigene Schule. Freilich, man ahnt es wohl, hat sie nur kurzen Bestand. Es ist nämlich ein überaus schwieriges Unterfangen, Götter, die ihresgleichen als Illusion betrachten, friedlich um denselben Tisch zu versammeln. Wir schwimmen in einem belebenden Meer von Paradoxen. 

Languenhaert ist ganz offensichtlich ein charmanter Schwärmer, ein origineller Exzentriker. Schmitt, dessen Stil subtil und geistreich ist, flicht erfundene Dialoge und Stellen aus fiktiven Memoiren in seinen Roman ein, kurze, meisterhafte Pastiches im Stil der Aufklärung und der Romantik, augenzwinkernd, brillant, auch, wenn nötig, tiefgründig und bewegend, mit dem rechten Maß an Mysterien und überraschenden Wendungen versehen, damit das intellektuelle Spiel mit Fleisch und Blut erfüllt werde.

Überbordende Phantasie? Gewiß, die man jedoch schnell wieder vergessen würde, wenn Schmitt es nicht fertiggebracht hätte, einen alten Zweifel in uns wachzurufen, eine Schimäre aufzuscheuchen, die in uns allen schlummert: Was aber, wenn Languenhaert recht hätte? Wenn das Augenscheinliche, wie so oft, nichts als Täuschung wäre? Wenn wir alles erfänden, so wie Schmitt seinen Helden erfindet, dem erst unsere Lektüre Wirklichkeit einhaucht?

Pierre Lepape

Le Point - « Die Schule der Egoisten »

Paradoxe und Pastiches, Finten und Verstellungen - in Éric-Emmanuel Schmitts erstem Roman finden sich dieselben Triebfedern der Ungewißheit, die schon sein Stück Der Besucher so erfolgreich machten.

Der Mittdreißiger Éric-Emmanuel Schmitt geht freilich das Risiko ein, daß ihm die im Theater erworbenen Lorbeeren in der Literatur wieder genommen werden könnten. Wie dem auch sei, mit spürbarem Vergnügen macht er sich daran, in der wohlgeordneten Welt der Ratio Verwirrung zu stiften. Sein erster Roman, Die Schule der Egoisten, ist eine Variation zum Thema solipsistische Theorien. Diese waren im 18. Jahrhundert in Mode und gingen davon aus, daß der Einzelne selbst Schöpfer der von ihm wahrgenommen Welt sei, daß das, was wir für real halten, nur eine Projektion unseres eigenen Ichs sei. 

Was geschieht nun, als ein zwanzigjähriger Irgendwer um 1725, von dieser Vorstellung ausgehend, eine philosophische Schule begründet, in der jeder alles daransetzt, den anderen von dessen Nichtexistenz zu überzeugen? Und wer ist der mysteriöse Erzähler, der zwei Jahrhunderte später den Spuren seines philosophischen Vorbilds folgt? Seine spielerische Art, seine technischen Fähigkeiten, seine stilistischen Kniffe lassen Schmitt einem literarischen Modell zustreben, dessen er mehr als würdig ist: den Possenromanen eines Italo Calvino.

Marc Lambron

Telerama - « Die Schule der Egoisten »

Nun legt Éric-Emmanuel schmitt also mit der Schule der Egoisten ein Buch über den alltäglichen Wahnsinn vor. Diesem ersten Roman des Autors mangelt es weder an Kühnheit noch an Einfallsreichtum - ein intellektuelles Virtuosenstück, kalt und verstörend.

Ein Mensch von heute, ein trockener Forscher und Bücherwurm, der seine Zeit in der Nationalbibliothek zubringt, stößt, wahllos in einem Buch blätternd, auf eine mysteriöse Persönlichkeit des 18. Jahrhunderts, Gaspard Languenhaert, den Begründer einer eigenen philosophischen Schule, der der Egoisten. Für Languenhaert existieren nur die Schöngeister der Schule und bewegen die Welt. Indem er dann seine Idee konsequent noch ein wenig weiterspinnt, kommt er am Ende nicht umhin sich für Gott selbst halten.

Und da die Berufung des Forschers eben das Forschen ist, beginnen nun Schmitt und sein Ich-Erzähler ihre Gelehrtenuntersuchung. Buch um Buch wird konsultiert, sowohl authentische Dokumente (von Diderot) als auch geschickt im glänzenden Stil der Zeit verfaßte Texte herangezogen. Der Autor nimmt uns mit auf eine Entdeckungsreise in den dunkelsten, mysteriösesten Winkel der Aufklärung, konfrontiert uns mit jener schwindelerregenden Vorstellung, die die Welt für nichtig erklärt und ihre Adepten am Ende in die einsamste Form des Wahnsinns treibt!    

In dem Maß, wie der Ich-Erzähler seiner Figur, Gaspard Languenhaert, nahezukommen scheint, schwindet der Bezug zur Realität, der Einfluß der Ratio, die Verbindung zur Welt der Lebenden. Die letzte überraschende Wendung verweist den Leser zurück an den Anfang des Romans, dessen Inhalt nun in neuem Licht erscheint.

Michèle Grazier

Reutlinger General-Anzliger - « Schule der Egoisten »

Romandebüt auf DeutschMit dem Roman "Die Schule der Egoisten" liegt nun auch das literarische Debüt von Eric-Emmanuel Schmitt, der hier zu Lande eine immer gröBer Werdende Anhängerschaft hat, in deutscher Sprache vor.

Der Erfolgsautor erzählt in dem Band, der in Frankreich bereits 1994 erschienen ist, eine fantastische Geschichte mit philosophischem Hintergrund. In einer Bibliothef stöBt ein Doktorand zufällig auf die Spur eines rätselhaften Denkers aus dem 18. Jahrhundert. Dieser behauptete, dass die Welt nur in seinen Wahrnehmungen existiere. Erst die erotische Begegnung mit einer feurigen und eigenwilligen Zigeunerin lassen den Philosophen an seiner Theorie zweifeln.

Schmitt, der in Paris Philosophie studiert hat, beschreibt eindrücklich die lebenspraktischen Konsequenzen eines exzentrischen Gedankens. Der Anfang des Romans wirkt allerdings nocj etwas gekünstelt. Der betörend leichte Ton von Schmitts späteren Bestsellern wie "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" ist in seinem  Erstling nur in Ansätzen zu entdecken. (dpa)

Eric Emmanuel Schmitt: Schule der Egoisten. 168 Seiten, 16,90 Euro. Ammann Verlag, Zürich.

Veröffentlichungen

  • Erschienen auf Bulgarisch bei Lege Artis
  • auf Französisch:
    Originale Ausgabe: Paris, Albin Michel, 1994.
    Edition Le Livre de Poche, 1995
  • Erschienen auf Kastillien, bei ediciones Destino, 2008
  • Erschienen auf Deutsch unter dem Titel Die Schule der Egoisten im Ammann Verlag, 2004, Übersetzung von Inés Koebel
  • Erschienen auf Italienisch bei Europa
  • Erschienen auf Niederländisch, bei Atlas
  • Erschienen auf Rumänisch, bei Humanitas
  • Erschienen auf Russisch, bei Azbuka, 2004, Übersetzung von Alexandre Braïlovski.